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Evelyne Axell, Le Peintre, 1971 Letztes Exemplar, Nr. 9/25 |
Evelyne Axell
Le Peintre, 1971 Farblithografie ca. 70 x 50 cm Auflage:3 Blätter mit teils unterschiedlicher Farbgestaltung, aus einer Auflage von 25 Blättern, deren Mehrzahl verloren gegangen ist signiert, nummeriert Preis je 9.000 EUR (Vergriffen) Aus dem Nachlass der Künstlerin erhielt der Museumsverein drei Blätter der einzigen erhaltenen bzw. vielleicht gar einzigen je produzierten Druckauflage von Evelyne Axell. Die Blätter unterscheiden sich farblich. Der Wert steigert sich dadurch, dass ein großer Teil der Auflage durch einen Lagerschaden vernichtet wurde und wohl nur 8 bis 10 Blätter erhalten sein dürften. Le Peintre, zu deutsch Der Maler zeigt das Selbstporträt der belgischen Malerin Evelyne Axell (1935-1972) in seiner schillerndsten Dimension: Im Titel männlich, im Motiv weiblich. Sie stellt sich als Maler mit Pinsel und Farbtopf dar und zugleich als das Modell, eine weibliche Aktfigur. Die nackte Frau, bislang Bildobjekt von männlichen Malern, verwandelt sich hier zum Subjekt. Der Autor ist nicht mehr männlich, sondern weiblich. Auch der Blick, das Begehren, die Lust werden hier der Vorstellung entrissen, nur Männern zu gehören. In der suggestiv-plakativen Formensprache von Plakatmalern, Illustratoren und Werbegrafikern erzeugte Evelyne Axell mit diesem Motiv eine Ikone der weiblichen Emanzipation, nach Einschätzung der Kunsthistorikerin Liesbeth Decan könnte es gar das erste Mal gewesen sein, dass sich eine Frau nackt und als Künstlerin malte. Das Selbstportrait mit Pinsel und Farbtopf ging bereits 1970 in die große Tafelarbeit "Le Joli Mois de Mai" (Mu.Zee, Oostende) ein, wo Evelyne Axell die Ereignisse von 1968 in ein Historienbild überführte: Sie selbst auf dem rechten Flügel des Bildes als Chronistin, die das Geschehen darstellt, ihr gegenüber, auf dem linken Flügel, einem Propheten gleich das Porträt des französischen Kunstkritikers Pierre Restany. Die Abbildung kann vom Original abweichen. Biografie 1935 Geboren am 16. August 1935 als Evelyne Devaux, Tochter eines Silberhändlers, in Namur, Belgien. Abgesehen von dem in Guatemala lebenden "Onkel Jean" - ein Bildhauer und ehemaliger Schüler von Henry Van de Velde - gibt es keine Künstler in der angesehenen Kaufmannsfamilie. Evelyne besticht bereits als zweijähriges Kind mit ihrem Aussehen und wird zum schönsten Baby ihres Geburtsortes gekürt. 1940 - 55 (Namur - Brüssel - Namur) Ihre Schulausbildung folgt den traditionellen Bildungsvorstellungen für ein junges Mädchen aus "gutem Hause". Zunächst besucht sie die katholische Grundschule der Schwestern der Heiligen Maria in Namur und anschließend wird sie in Brüssel in ein von Nonnen geführtes Mädchenpensionat eingeschult. 1953 mit 18 Jahren macht sie das Abitur an einem altphilologischen Gymnasium. Im Anschluss schreibt sie sich an der Kunstschule für Keramik auch in Namur ein. Schnell stellt sie fest, dass es sie in die Großstadt nach Brüssel zieht, wo sie am Theaterkonservatorium aufgenommen wird. Ihrem Patenonkel Robert Kaesner gehört das berühmte Kino Metropole in Brüssel. Er nimmt sie mit zum Filmfestival nach Cannes, wo er sie mit Stars des internationalen Films wie Henri Vidal und Jean Cocteau bekannt macht. Ganz selbstverständlich trifft sie beim Abendessen auf Gregory Peck oder Arletty, die Femme fatale des französischen Films, und testet da ihre eigene Ausstrahlung und Verführungskraft. 1956 - 1964 (Brüssel - Paris - Hamburg - Lübeck - Berlin) Ihre Eltern wünschen die Hochzeit mit dem Top-Friseur von Namur. Die Verlobung findet im Januar statt, jedoch ehelicht sie unerwartet im Dezember den Pariser Filmemacher Jean Antoine, der sich im belgischen Fernsehen bereits einen Namen mit Dokumentationen über zeitgenössische Künstler gemacht hat. 1957 kommt ihr einziges Kind, Philippe Antoine zur Welt. Als junge Mutter, die beruflich tätig sein will, ist ihr der geregelte Job als Programmansagerin im Fernsehen sehr recht. Ab 1958 wird sie mehrmals wöchentlich in die Wohnzimmer ausgestrahlt und dadurch bekannt. Von da an verwendet sie als Künstlersynonym den Namen - Axell. Gemeinsam mit ihrem Mann unternimmt sie zahlreiche Produktionsreisen und trifft u.a. in London mit den britischen Pop-Art Künstlern, wie Allen Jones, Peter Phillips, Pauline Boty, Patrick Caulfield sowie Joe Tilson zusammen. 1963 schreibt sie mit Dominique Rolin das Drehbuch für den Film für Le Crocodile en peluche, einen Film von Jean Antoine, indem sie die Hauptrolle spielt. 1964 ist es ihr Mann Jean, der in seinen Dokumentationen Dieu est-il Pop? und L’Ecole de New York erstmals die junge Pop-Art Szene in England und Amerika einem breiten Publikum vorstellt. Jean interviewt in New York den jungen Warhol, Lichtenstein, Marisol, Segal, Jim Dine etc. (Filme werden in der Ausstellung gezeigt). 1964 (Brüssel - Prag - Wien - Krakau - London) Axell, wie sie sich ab dann androgyn nennt, entscheidet sich aus dem oberflächlichen Geschäft des Films und Fernsehen auszusteigen und sich von der Branche ihres Ehemanns zu entfernen. Sie geht ihrem bereits im Mädchenpensionat erkannten Mal- und Zeichentalent nach und will mit Hilfe von René Magritte bildende Künstlerin werden. Magritte ist ein Freund der Familie von Jean Antoine. In privaten Studiensitzungen erkennt er ihre Begabung und bekräftigt sie, dem Weg zu folgen. In der Rue Tenbosch in Brüssel mietet sie ein Atelier. Jedoch muss sie sehr schnell feststellen, dass Sie gegen den starken "Kunst-Machismo", der in der Kunstszene herrscht, zu kämpfen hat. Viele Galeristen und Museumsleute schmücken sich gerne mit einer schönen Frau, jedoch die Akzeptanz als Künstlerin wird ihr zunächst verwehrt. Sie reist nach Prag, Wien und Krakau. 1966 nimmt sie mit einigen Erotomobiles an der Ausscheidung zum renommierten Prix de la Jeune Peinture Belge teil und erfährt erstmals eine offizielle Wahrnehmung. Robert Giron, Direktor des Palais des Beaux Arts in Brüssel, veranstaltet die Gruppenausstellung Pop Art, Nouveau Réalisme etc. in deren "etc." sich Geringschätzung ausdrücken soll: Er hält Pop Art für eine Modeerscheinung und will Axell, deren Farbgefühl er sehr schätzt, zur Abstraktion bekehren. Beeindruckt von Marcel Duchamp, den sie persönlich bei seiner Retrospektive 1966 in der Londoner Tate Gallery, kennenlernt, fühlt sie sich in ihrem autonomen Weg bestätigt. Am 19. Oktober 1966 ist sie anwesend, als Marcel Broodthears, auch ein guter Freund, sein Konzept eines Musée d'art moderne département des aigles, section XIXe siècle in einer Wohnung in Brüssel vorstellt. Axell hat Spaß an dem konzeptuellen Denken, das Broodthaers von jetzt an zur Meisterschaft bringt. Doch sie wird diesen Weg nicht teilen. 1967 (Brüssel) Axell erhält ihre erste eine Einzelausstellung mit den Erotomobiles im Palais des Beaux-Arts Brüssel. Werke aus nur 3 Jahren füllen bereits eine Art Retrospektive. Axell hat zu Beginn des Jahres neuartige Möglichkeiten entdeckt, mit Plastikmaterialien, insbesondere Clartex zu arbeiten. Sie verbringt viel Zeit in der Fabrik und experimentiert; legt zugeschnittene Formen aus Stoff oder Leinwand in heißen Kunststoff, bemalt anschließend die gehärteten Oberflächen mit Autolackfarben. Dort realisiert sie z.B. die Arbeit La Grande Sortie dans l’espace. Sie verändert nicht ihren Stil, nutzt jedoch die Materialien ihrer Epoche. Und kehrt, ähnlich wie Duchamp, nie wieder zur Ölmalerei zurück. 1968 (Brüssel) Ihr Mann ist unterwegs in der Sowjetunion, wo er dreizehn Filme über das dortige Alltagsleben drehen soll. Im Jahr zuvor hat Axell ihn kurz in Moskau und Leningrad besucht, daher erlebt auch sie die Repressionen des kommunistischen Regimes. Dennoch, als der Mai 68 kommt, rückt sie ein in die Brüsseler Protestbewegungen und unterstützt die von Marcel Broodthears und Roger Somville angeführte Besetzung des Palais des Beaux-Arts. Sie nimmt rege teil an den "assemblées libres" (offenen Versammlungen) der Künstler und Intellektuellen. Der Wind der Revolution weht ... wenn auch eher als leichte Brise. Dennoch sind diese Ereignisse ihre Inspiration für Joli Mois de mai. Zwei Jahre wird sie daran arbeiten, es wird ihr Meisterwerk werden. Nachdem Clartex nicht mehr produziert wird, wechselt sie zu Plexiglas und bearbeitet dieses Material mit Elektrosäge, Airbrush Pistole und Emaillack im eigenen Atelier. Es ist ein freies "Underground"-Leben, alleinerziehend mit Sohn, während Jean ständig abwesend ist, in Sibirien, Indien, Ägypten 1969 (Brüssel) Sie gewinnt den Prix de la Jeune Peinture Belge. Für sie ist es ein Sieg über die Vorurteile der Kritiker, ein Triumph als Frau über die Misogynie der gesamten Kunstszene dieser Zeit. Am Eröffnungsabend ihrer Ausstellung in der Galerie Richard Foncke in Ghent veranstaltet Axell ein Happening: Sie führt eine Frau durch die Menge, die einen Astronautenhelm auf dem Kopf trägt und ansonsten völlig nackt ist. Von lasziver Musik begleitet beginnt Axell, die Nackte anzuziehen, in einer Sinnlichkeit, die das Publikum anheizt. Der Abend endet in einer stürmischen Debatte über die sexuelle Revolution in der Kunst, angeführt von Pierre Restany (Begründer des Nouveau Réalisme). Die folgende Ausstellung in der Pariser Galerie Templon wird unter dem Titel Pierre et les Opalines zur ironischen Hommage an ihn. 1970 (Paris - Brüssel) Axell nimmt teil an der Ausstellung Le plastique et l’art contemporain (Plastik und die Kunst der Gegenwart), die anlässlich der Pariser Messe Europlastique im Grand Palais an der Porte de Versailles stattfindet. Inspiriert von der gigantischen Masse an Plastik, die auf der Messe zu sehen ist, entwirft Axell eine eigentümlich prophetische Installation (Projektskizze ist ausgestellt). Die Einführung lautet wie folgt: "Konzept für ein archäologisches Museum des XX. Jahrhunderts, Sektion: Plastikzeit (2tes Jahrtausend nach J.C.). Ergebnis der Ausgrabungen im ‚AXELL’-Grabhügel (Nordwestseite des asiatischen Kontinents, früher "EUROPA" genannt). Um jeglicher Fehlinterpretation dieser fernen Zivilisation zu begegnen, besorgte die Untersuchende höchstpersönlich die Auswahl der kostbaren Objekte in diesem Saal. Das Ensemble zeigt eine Anordnung, die man um 1970 "Environment" nannte.". Konnte sie ahnen, dass sie kaum zwei Jahre später diesen Platz einnehmen würde? Das große Triptychon Le Joli Mois de mai wird am 4. September 1970 die Attraktion in der Kölner Ausstellung Dix ans d’art belge (1960-1970) (Zehn Jahre belgische Kunst (1960-1970)) werden. 1971 (Brüssel) Axell richtet eine zweite Retrospektive im Palais des Beaux-Arts aus. Erstmals sind hier Axells Paradiesbilder zu sehen: Bilder von Tieren, der Affe, der Papagei und küssende Liebesvögel. Der Kritiker Gérald-Gassiot Talabot schreibt: " Der Krieg der Geschlechter löst sich hier plötzlich auf, es ist ein Paradies, in dem das reine Herz und die Sinne herrschen; kein geringer Verdienst dieser Ausstellung, uns für einen Moment dort hin blicken zu lassen." Tarzan, Traummann ihrer Jugend, als sie - dank Kino - die Illusionen des Dschungels kennenlernte und sich mit Jane identifizierte, befreit die einsame Frau am Strand. Unbeabsichtigt hinterlässt sie da eine letzte traurig-schöne Botschaft 1972 (Brüssel - Venedig - Kassel - Mexiko City - Guatemala - Zwijnarde) Im Juni starten sie und ihr Mann zu einer längeren Reise. Sie fahren zur Biennale nach Venedig, treffen dort viele Freunde, haben eine merkwürdige Begegnung mit einem belgischen Kritiker, der ihr unangenehm wird. Sie fahren weiter nach Jugoslawien, wo sie nackt am Strand liegen, nach Wien, schließlich zur Documenta nach Kassel, zurück zu den Akademikern und Snobs der Kunstwelt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Brüssel fliegen sie im August nach Mexiko City, wo Jean einen Film über David Alfaro Siqueiros und den Muralismus dreht. Siqueiros stellt ihr eine Ausstellung im Palacio de Bellas Artes in Mexiko City im nächsten Jahr in Aussicht. Evelyne ist begeistert und plant dort längere Zeit zu arbeiten. Ende August kehrt sie zurück nach Brüssel. Am 9. September ruft der belgische Kunstkritiker an, den sie in Venedig "schmierig" fand, und schlägt ihr vor, sie mit einer wichtigen Antwerpener Galeristin bekannt zu machen. Der Ausflug mit dem Kritiker endet auf einer Straße nach Gent in einem amerikanischen Cabriolet für Axell, die angeschallt war, tödlich oben |
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